In meinen vielen Jahren als Kompositionslehrer in Köln (22 Jahre), Den Haag (16 Jahre), Darmstadt (sieben Ferienkurse), Santa Barbara (seit anderthalb Jahren) und sonst vielerorts habe ich stets das Privileg genossen, in engem Kontakt mit jüngeren Komponisten zeitgenössischer Musik zu sein. Davor war mir als Kompositionsstudent in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren dieses Privileg selbstverständlich. Im Laufe der Jahre hat sich ein interessantes Phänomen mir offenbart - die kurvenartig variierende Bereitschaft junger Komponisten zu einer Stellungnahme zum Begriff kompositorische Qualität. Während in meiner Studienzeit endlose Diskussionen zu diesem Thema stattfanden - es gab auch Situationen in denen häufige Buhrufe oder gar das Massenverlassen eines Konzertsaals noch während der Aufführung eines Stücks dessen Missliebigkeit signalisieren sollten - verstummten zu Beginn der achtziger Jahre diese Zeichen der Unzufriedenheit deutlich. Mehr noch - die jungen Leute, egal ob in Köln oder sonstwo, haben vermehrt angefangen zu behaupten, es wäre eigentlich unmöglich zu sagen, ob ein neues Musikwerk "gut" oder "schlecht" sei, und zwar unter dem Motto "nur die Zukunft wird's zeigen". Und die Minderheit, die gegenteiliger Meinung waren (meine Wenigkeit eingeschlossen), haben sich dem Eindruck schwer verwehren können, es würde sich (von einzelnen Ausnahmen abgesehen) Neukomponiertes aus jener Zeit im Allgemeinen zum Schlechteren entwickeln.
Dann, mitte der neunziger Jahre, fanden meine lehrtätigen Kollegen und ich eine neue junge Komponistengeneration an zugleich mehreren Orten vor, urplötzlich zu Qualitätsfragen wieder gesprächsbereit (doch bei diesmaligem Ausbleiben von Buhchören und Massenaufständen), ein wundersames Phänomen, das sich offenbar bis zum heutigen Tage angehalten hat. |
Und (man höre und staune) ihre Musik scheint wieder von einer Frische und Kreativität zu zeugen, die in der Zeit zuvor bei ihren Vorgängern irgendwie abhanden gekommen war.
Die einzige Erklärung dieses Phänomens, die ich zu bieten hätte, wäre folgende: Zu den Zeiten als die Jungmeister der Stockhausen-Generation sich anschickten, neuartige, der Welt verwehrt gebliebene Tonwelten zu erschlieflen, offenbarten sich zwei soziokulturelle Aspekte, die jahrzehntelang untergegangen waren: die zeitgenössische Musik durfte erstens furchtlos, und konnte zweitens rentabel sein. Der erste Aspekt öffnete soviele Möglichkeiten, dass die Scharen von vornehmlich vom zweiten Aspekt beeindruckten Komponisten in eine Ratlosigkeit gezwängt wurden, die jedoch durch den Lockruf des Geldes übertönt wurde. Und siehe da, es wurde soviel schlechte Musik produziert, dass es selbst eher unkritischen Musikkonsumenten, einschließlich Komponisten, irgendwann einmal übel aufstoßen musste. Und wer sich als Komponist aus der Bequemlichkeit erhebt und Fragen zu Qualität stellt, wird diese Fragen der eigenen Musik auch stellen. Meine lehrtätigen Kollegen und ich sind über diese Entwicklung sehr erfreut, wünschen der heutigen jungen Komponistengeneration viel weitere Muse und hoffen, die nächste Talfahrt lässt auf sich ein wenig warten. Klarenz Barlow |