Der öffentlichrechtliche Rundfunk und die Rundfunkgebühr
Einer der von Zeit zu Zeit in Frage gestellten, jedoch bisher immer noch sehr effizienten Veranstalter neuer Musik im weitesten Sinne ist im Rahmen der Gesamtszene klingender Kunst der öffentlich- rechtliche Rundfunk und zwar mit seinen anspruchsvollen Hörfunkprogrammen. Die Fernsehprogramme, darunter auch die sogenannten Spartenprogramme wie arte und 3sat, sowie die sogenannten Kulturmagazine von ARD und ZDF wie „Titel, Thesen, Temperamente“ und „Aspekte“ vermitteln praktisch keine neue Musik, es sei denn, ein Science-fiction-Film greift auf die Musik eines lebenden Komponisten der neuen Musik zurück, wie das Stanley Kubrick in „2001 – a Space Odyssee“ mit Musik von György Ligeti getan hat. Und die privaten Hörfunk- und Fernsehprogramme meiden geradezu alles wirklich Neue als vermeintliche Quotenkiller.
Die Gründung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach dem Zusammenbruch des Naziregimes 1945 durch die britische, amerikanische und französische Militärregierung sollte ähnlich wie die ersten lizenzierten Tages- und Wochenzeitungen in erster Linie den fairen Zugang zu politischen Informationen und Meinungen ermöglichen, dann aber auch eine wirtschaftliche und kulturelle Öffentlichkeit herstellen. Neue Musik spielte dabei neben älterer Konzert- und Unterhaltungsmusik sehr schnell eine wesentliche Rolle. Erst einmal gab es einen erheblichen Nachholbedarf, war doch zwölf Jahre lang alle neue Musik als entartet gebrandmarkt worden. Die älteren aus dem Krieg zurückkehrende ebenso wie die jungen Komponisten und das ja ebenso abgeschottete Publikum interessierten sich für Strawinsky, Bartók, Hindemith, Berg und Webern, die Haupt- und Nebenwege der neuen Musik außerhalb der Kriegsgebiete. Die inzwischen neue Nachkriegsmusik orientierte sich in dieser Namensfolge an den Verfemten bis es zu den ersten seriellen Kompositionen von Goeyvaerts und Stockhausen kam. Entsprechend schnell etablierten sich die jungen Rundfunkanstalten, wie der Nordwestdeutsche Rundfunk, mit ihren ebenfalls neuen Sinfonieorchestern in Konzertreihen klassisch-romantischer und neuer Musik. „das neue werk“ in Hamburg, „Musik der Zeit“ in Köln, „musica viva“ in München, das erste Rundfunkfestival neuer Musik in Frankfurt traten mit internationalen Programmen an die Öffentlichkeit, nicht zuletzt um auch zu zeigen, dass an die Stelle des nationalistisch sich einkapselnden ein weltoffenes Land getreten ist.
Das 1954 gestartete gemeinsame Fernsehprogramm aller Landesrundfunkanstalten wirkte sich für neue Musik nur sehr indirekt dadurch aus, dass die Bundesregierung ein staatsnahes Fernsehen anstrebte, durch Klage der Bundesländer beim Verfassungsgericht und das Grundsatzurteil von 1961 daran gehindert wurde. Allerdings autorisierte das Verfassungsgericht den Bund auf gesetzlicher Grundlage, Hörfunkprogramme für das Ausland zu betreiben, woraus die Deutsche Welle und der Deutschlandfunk hervorgegangen sind. Je mehr sich die Landschaft der regionalen Rundfunkanstalten differenzierte und erweiterte, desto umfangreicher entwickelten sich auch die Konzertreihen mit neuer Musik an praktisch allen Standorten, darunter seit 1950 die Donaueschinger Musiktage, das international wirkungsvollste Veranstaltungsprojekt neuer Musik des Rundfunks in Westdeutschland, dessen Programm und Programmkosten vom Südwestfunk Baden-Baden getragen wurden. Als einen Höhepunkt dieser Entwicklung lässt sich der Aufbau des Studios für elektronische Musik im Westdeutschen Rundfunk Köln werten, als ein spätes Addendum das Experimentalstudio der Heinrich-Strobel- Stiftung des Südwestfunk (später: Südwestrundfunk) Freiburg, mit denen Pionierarbeit ermöglicht wurde.
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Das 1954 gestartete gemeinsame Fernsehprogramm aller Landesrundfunkanstalten wirkte sich für neue Musik nur sehr indirekt dadurch aus, dass die Bundesregierung ein staatsnahes Fernsehen anstrebte, durch Klage der Bundesländer beim Verfassungsgericht und das Grundsatzurteil von 1961 daran gehindert wurde. Allerdings autorisierte das Verfassungsgericht den Bund auf gesetzlicher Grundlage, Hörfunkprogramme für das Ausland zu betreiben, woraus die Deutsche Welle und der Deutschlandfunk hervorgegangen sind. Je mehr sich die Landschaft der regionalen Rundfunkanstalten differenzierte und erweiterte, desto umfangreicher entwickelten sich auch die Konzertreihen mit neuer Musik an praktisch allen Standorten, darunter seit 1950 die Donaueschinger Musiktage, das international wirkungsvollste Veranstaltungsprojekt neuer Musik des Rundfunks in Westdeutschland, dessen Programm und Programmkosten vom Südwestfunk Baden-Baden getragen wurden. Als einen Höhepunkt dieser Entwicklung lässt sich der Aufbau des Studios für elektronische Musik im Westdeutschen Rundfunk Köln werten, als ein spätes Addendum das Experimentalstudio der Heinrich-Strobel- Stiftung des Südwestfunk (später: Südwestrundfunk) Freiburg, mit denen Pionierarbeit ermöglicht wurde.
Im Bereich der neuen Musik hat es nach dieser immer weiter aufbauenden Entwicklung des Rundfunks seit 1945 eine Reihe von abbauenden Phänomenen gegeben. Nachdem alle Rundfunkanstalten über je eine Redaktion neuer Musik verfügten, verzichtete der NDR auf seine Redaktion und damit auf die kontinuierliche Fortführung seiner Reihe „das neue werk“. Der Bayerische Rundfunk, der für seine „musica-viva“-Konzerte mit Karl Amadeus Hartmann und Wolfgang Fortner Komponisten außerhalb des eigenen Hauses mit der Leitung beauftragt hatte, verlagerte sie zu einem Hierarchen anstatt zu einem Redakteur neuer Musik mit voraussehbaren Folgen. Der Rundfunk zog sich später aus Projekten wie dem Freiburger Heinrich-Strobel-Stiftungsstudio, den Donaueschinger Musiktagen, dem Stuttgarter Rundfunkchor teilweise oder auch ganz zurück wie beim Studio für elektronische Musik des WDR Köln. Reduziert wurden Etats bei Radio Bremen, beim Sender Freies Berlin und beim Saarländischen Rundfunk aufgrund der Reduzierung eines Finanzausgleichs von den „reichen“ zu den „ärmeren“ Häusern.
Zweimal hat das Bundesverfassungsgericht über Rundfunkgebühren entschieden: das erste Mal 1971 auf Antrag der Bundesländer, nachdem der Bund die Einkünfte der Mehrwertsteuer unterworfen hatte. Bei dieser Gelegenheit verdanken wir ihm eine etwas detailliertere Beschreibung der grundgesetzlich gegebenen Aufgaben des Rundfunks, der sogenannten Grundversorgung. Und das zweite Mal hat das oberste Gericht auf Antrag der Rundfunkanstalten am 11. September 2007 die Reduzierung der von der vorgesehenen Kommission taxierten Gebühren durch die Länderregierungen und -parlamente als verfassungswidrig verurteilt. In beiden Fällen wurde klargestellt, dass die Finanzierung allein natürlich nicht hinreichend ist, den Verfassungsauftrag der Rundfunkanstalten auch konkret auszufüllen. Keine Frage, der Entscheidungsspielraum für jedes einzelne Programm, neue Musik mehr oder weniger einzubeziehen, ist groß. Gleichwohl ist das Eintreten des Bundesverfassungsgerichts für die Wahrung der Pressefreiheit auch für das zarte Pflänzchen neue Musik nicht hoch genug einzuschätzen.
Reinhard Oehlschlägel
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