Tonspuren 2004
Die "Kölner Gesellschaft für neue Musik" präsentiert eine Reihe mit Filmen von Komponisten im Kino im Museum Ludwig
Musik im Film ist so selbstverständlich, daß sie oft gar nicht mehr wahrgenommen wird. Und selbst wenn sie fehlt, wie in Hitchcocks Klassiker "Die Vögel", fällt es schwer, sich an diesen Sonderfall zu erinnern. Im Zusammenhang mit bewegten Bildern nimmt das Ohr wesentlich unbewußter auf als das Auge. Indes ist das Hören genauso wichtig wie das Sehen. Ohne akustischen Kommentar zum Bild fühlt sich der Betrachter unbehaglich, weshalb zu Stummfilmen ein Pianist die Aufgabe hatte, die Szene musikalisch zu begleiten.
Neben der illustrativen Wirkung hat Musik auch eine strukturierende Funktion, was viele Regisseure zur gezielten Zusammenarbeit mit Komponisten veranlasst. Ein bekanntes Beispiel ist der Film "Koyaanisqatsi":die Komposition von Phil Glass bildete die Vorgabe für den Regisseur Godfrey Reggio, der mit den Mitteln von Schnitt, Zeitlupe und Zeitraffer die Filmbilder nach der Musik rhythmisierte. Manche Sequenz wurde sogar nachgedreht, um sie der Tonspur anzupassen. "Tonspuren" heißt konsequenterweise auch die neue Reihe, die jetzt die "Kölner Gesellschaft für Neue Musik" (KGNM) präsentiert. In ihr sollen vor allem Filme gezeigt werden, in denen Musik eine strukturbildende Funktion besitzt.
Eröffnet wird die Reihe mit Filmen des in Köln lebenden Komponisten Maurico Kagel. In vielen Werken hat sich Kagel mit der Tatsache beschäftigt, daß jedes Konzert zwangsläufig auch als szenische Aktion wahrgenommen wird: Die Aufführung von Musik, das Gebaren von Sängern, Instrumentalisten und Dirigenten kann an gutes oder schlechtes Theater erinnern. In seinen komponierten Filmen beschränkt sich Kagel jedoch nicht auf das Abbilden konzertanter Aktionen, sondern bezieht die Strukturen von Bild und Ton unmittelbar aufeinander. Filmtechniken wie Schnitt und Montage greifen in die Musik ein und umgekehrt wird mit kompositorischen Arbeitsprinzipien wie Kontrapunkt und Variation die "Bildspur" gestaltet. Das Ergebnis ist, wie oft bei Kagel, von Ironie und besonderem Humor durchdrungen: in "Bestiarium" trifft ein ganzer Zoo aufblasbarer Schwimmtiere in absurden Verformungen aufeinander, in "MM51" gerät der Pianist Aloys Kontarsky in den Bann des Vampirs "Nosferatu" aus dem berühmten Film von Friedrich Murnau. Mauricio Kagel hat sein Kommen für die Eröffnung zugesagt und wird zwischen den Filmen eine kurze Einführung geben.
Mit "tonspuren" versucht die KGNM eine Reihe zu etablieren, die auch ein Publikum jenseits hermetischer Szene-Veranstaltungen erreicht. Durch die Kombination von Ton und Bild entsteht eine Anschaulichkeit, die oft einen direkteren Zugang zu einer Kunst öffnet, die in dem Ruf steht, "schwierig" zu sein. Erfreulich ist, daß das Museum Ludwig sein Kino zur Verfügung stellt, da es sich durch die Nähe zu Philharmonie und moderner Kunst als Aufführungsort besonders eignet. Als nächste Schwerpunkte der Reihe sind Arbeiten von Robert Ashley geplant, dessen Video-Opern-Trilogie "Atalanta (Acts of God)", "Perfect Lives" und "Now Eleanor's Idea" einen einzigartigen Fall in der zeitgenössischen Musik darstellt, sowie Filme mit Musik von John Cage, Morton Feldman und Louis Andriessen.
(Albrecht Zummach)
Sa. 11.12.2004
Kino im Museum Ludwig
Eintritt 8.-/5.-€
17.30 Uhr
ANTITHESE
Spiel für einen Darsteller mit elektronischen und öffentlichen Klängen
LE CHIEN ANDALOU
von Luis Bunuel und Salvador Dali (1928)
mit der Komposition SZENARIO für Streichorchester und Hundelaute
MM51
Ein Stück Filmmusik für Klavier (1976)
BESTIARIUM
Klangfabeln auf zwei Bühnen (1976)
20.00 Uhr
Mauricio Kagel: "Einige Gedanken zu meinen Filmen"
20.30 Uhr
HALLELUJAH
für Stimmen (1967/68)
BLUE'S BLUE
Eine musikethnologische Rekonstruktion für vier Musiker (1978/79)